28. März 2007

Fundsache: Deutsche Delegation in Ventspils

"Vom 28. bis 31.März 2007 weilt eine Stralsunder Delegation in der Partnerstadt Ventspils. Anlass ist die 15-jährige Wiederkehr der Vertragsunterzeichnung zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen beiden Städten."
So steht es heute in "MVRegio - Nachrichten für Mecklenburg-Vorpommern". Spannende Sache. Ob auch ein Bürgermeisterbesuch im Gefängnis mit auf dem Besuchsprogramm steht, war leider nicht zu erfahren.
Armes Stralsund, oder armes Ventspils?


Aber nicht so ungeduldig. Lesen wir doch weiter im selben Beitrag: "Für Stralsund wird der 1. Stellvertreter des Oberbürgermeisters, Senator Hans-Jörg Vellguth die Grußbotschaft während der Festveranstaltung in der Livländischen Ordensburg überbringen.

Beim anschließenden Empfang des deutschen Botschafters in Lettland, Eberhard Schuppius, und des Bürgermeisters von Ventspils gibt das Bläserquintett der Stralsunder Musikschule ein Konzert. Weitere Veranstaltungen wie beispielsweise die Ausstellungseröffnung von Werken deutsch-baltischer Maler, eine Diskussionsrunde zur Europäischen Union sowie ein Ausflug zum Thema: Deutsche Spuren im Bezirk Ventspils stehen für die Stralsunder Gäste auf dem Programm." (Zitat Ende)

Ob die Spuren des Bürgermeisters von Ventspils denn auch noch gesucht und gefunden werden? Leute, lest die Mecklenburg-Vorpommersche Lokalpresse!!

24. März 2007

Die Justiz räumt auf - vor Gericht

Mittwoch, der 14. März, war ein aufregender Tag in Lettland. Aivars Lembergs, eine der schillerndsten Figuren in der lettischen Politik und Geschäftswelt, wurde verhaftet. Sechs Stunden Beratungszeit brauchte das zuständige Gericht auch nach seiner Festnahme noch, um die Aufrechterhaltung der Haft zu bestätigen. Die Anklage lautet auf Geldwäsche von insgesamt 10 Millionen Lat (ca. 15 Millionen Euro), sowie falscher Deklarierung seines wahren Eigentums.

Zwischen Ventspils und Jurmala
Doch damit nicht genug: am 23.März verurteilte das Regionalgericht Zemgale den früheren BMW-Händler German Miluss und den früheren Bürgermeister von Jurmala wegen Bestechungsdelikten im Zusammenhang mit der Kommunalwahl 2005 beide je zu 5 Jahren Gefängnis. Ein dritter Angeklagter wurde zu drei Jahren Haft verurteilt, während ein weiterer Verdächtiger noch flüchtig ist. Ans Licht gebracht hatte den Vorgang der Gemeinderatsabgeordnete von Jurmala, Ilmars Ancans, im März 2005.
Wenige Stunden später musste Staatsanwältin Velta Zaluknse allerdings zugeben, dass der Angeklagte Miluss, der zur Urteilsverkündung nicht im Gerichtssaal erschienen war, offensichtlich geflohen war. Und auch eine Eigentumskonfiszierung, die eigentlich im Urteil vorgesehen war, wird wohl nur schwer zu vollziehen sein: die beiden Hauptangeklagten hatten vieles bereits ihren Ehefrauen überschreiben lassen.
Der Bestechungsfall war in Lettland unter dem Namen "Jurmalgate" bekannt geworden. Politische Beobachter hatten den Fall auch dahingehend kommentiert, dass die Angeklagten mit hoher Wahrscheinlichkeit nur Handlanger anderer politischer Auftraggeber gewesen seien, die sich in dem prestigeträchtigen Badeort Jurmala die politische Einflußnahme sichern wollten.

Geschwüre, Gerüchte, Geschäfte?
Der Fall Lembergs dagegen schwelt schon einige Jahre. "Du kannst in Ventspils nicht mal ein Toilettenhäuschen privatisieren, ohne seine Einwilligung," so besch
reibt es der Journalist Lato Lapsa in seinem Buch "Kas ir Lembergs" ("Wer ist Lembergs", Riga 2006), in dem auch eine Menge Zahlen, Dokumente und Fakten wiedergegeben sind, die im Zusammenhang mit zwielichtigen Geschäften von Lembergs stehen. Lapsa gibt zu, dass er in seiner Arbeit von Lembergs politischem Konkurrenten Andris Šķēle unterstützt worden ist. Aber über die Zeit der Privatisierung der Filetstücke von Lettlands Ölwirtschaft ist dort eine deratige Fülle von Dokumenten zitiert, dass einziges Argument noch sein könnte: "andere haben es auch nicht besser gemacht."

Lembergs baute jahrlang an seinem persönlichen Mythos - woher er das Geld hat, danach haben viele höflicherweise nicht gefragt. Denn wer fragt schon, der selbst Nutzen davon hat. Lembergs galt als großzügig, und treu sorgend für seine Stadt: in frohen Farben frisch renoviert, so präsentierte sich Ventspils bereits seit Jahren. Und Lembergs kennt sich aus: in den 80er Jahren in verschiedenen Positionen der sowjetlettischen Kommunisten aktiv, wurde er 1988 Bürgermeister von Ventspils. Danach wurde er fünfmal wiedergewählt, dreimal davon mit über 70% der Stimmen. Eine einzigartig dominierende Figur in der lettischen Politik - die, klein von körperlicher Größe, gerne aus der Provinzpolitik hinaus zu den ganz Großen zählen würde.
Spekulationen um Korruption ranken sich um die Privatisierung von Firmen des Ölhandels und -transports, die in Ventspils angesiedelt sind. Inzwischen ist dort die niederländlische "Yelverton Investment" als Betreiberin vieler Anlagen eingezogen, die aber ihre Eigentümer nicht offenlegt. Es gibt Spekulationen, dass Lembergs insgesamt über ein Vermögen von 85 - 230 Millonen Euro verfügen soll - offiziell waren es 2005 laut seiner Steuererklärung 12,3 Millionen Euro.


Fehlendes Vertrauen?
Noch sieht es trotz dieses offensichtlich energischen Vorgehens der lettischen Justiz nicht so aus, als ob den Bürgerinnen und Bürgern Lettlands schnell das Vertrauen in Recht und Gerechtigkeit zurückgegeben werden könnte. Umfragen direkt nach Lembergs Verhaftung zufolge bezeichneten über 50% der Befragten das Vorgehen gegen den immer lächelt und gönnerhaft auftretenden "König von Ventspils" als "politisch bestellt". Auch Lembergs selbst war wieder schnell dabei, eine "Kampagne zur Zerstörung seiner moralischen Integrität", "Interessen Russlands", oder gar eine bevorstehende Abwertung des lettischen Lat als Schuldigen auszumachen. "In diesem Staat ist der Mensch rechtlos," sagte er zur Neatkariga Rita Avize - eine Zeitung, die ihm allerdings selbst gehört (und die ihm demzufolge gern Raum zur Selbstdarstellung gibt). Gerüchte und Verschwörungstheorien haben in Lettland immer gerne Hochkonjunktur. Und in einem Land, in dem schon in den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts eher viele kleine Parteien sich um die Macht stritten, wird angesichts einer mit stabiler Mehrheit ausgestatteten gegenwärtigen Regierung inzwischen von zu großer Machtkonzentration geredet. Wird den Letten die eigene Regierung unheimlich?

Noch 2006 war Lembergs Kandidat für das Amt des Regierungschefs in Lettland - so hatte es die gemeinsame Liste der lettischen Bauernpartei und der Grünen vorgeschlagen. Kandidat auf einer Wahlliste war Lembergs aber nicht - das hätte nämlich zwei weitere Verpflichtungen mit sich gebracht. Jeder Parlamentskandidat muss in Lettland sein Einkommen inklusive Automarke und Landbesitz offenlegen, und eine Erklärung unterschreiben, niemals mit dem sowjetischen KBG zusammengearbeitet zu haben.

Wer lacht zuletzt?
Viel ist noch zu recherchieren im Fall Lembergs. Zum Beispiel zu einer angeblichen Liste von etwa 20 lettischen Politikern, die direkt von Lembergs bezahlt wurden. Ganz besondere "Stipendiaten" - ob sie nun von der Justiz, oder von Lembergs im Falle einer Verurteilung aus "Rache" offengelegt werden? Es bleibt spannend.

8. März 2007

Ein Blumenstrauß für die Frau - und das war's dann für dieses Jahr?

Für 50% der Einwohner Lettlands hat den 8.März als Tag der Frau noch eine Bedeutung - so sagen es Umfrageergebnisse von TNS Latvija aus, die Anfang der Woche veröffentlicht wurden. Möge das lettische Parlament nun über den Status dieses Tages beschließen oder nicht - so schußfolgert TNS. In der Hauptstadt Riga sind es sogar 65% aller Befragten, denen der Tag der Frau wichtig ist.

Wer am 8.März über die Straßen von Riga geht, wird trotz meist zu dieser Jahreszeit eher grauen und tristen Winterwetters ein erhöhtes Vorkommen von Blumen aller Art im Straßenbild feststellen können. Geht es jedoch über diese nette Aufmerksamkeit für die weibliche Seite der Gesellschaft hinaus? Wenig Hoffnung weckt da schon der Blick auf die verschiedenen Volksgruppen. Ein wenig mag ja aus lettischer Sicht zumindest für die älteren Letten der Frauentag immer noch mit den erzwungenen Ritualen der Sowjetzeit zu tun haben - nationalkonservative Parteien versuchen zudem, den Muttertag im Mai als zu zelebrierende Alternative herauszustellen. Allerdings stammt auch dieser Vorschlag vermutlich eher von Männern, die gerne den Frauen bestimmte Rollen zuweisen möchten. Die Umfrage von TNS jedenfalls zeigt, dass unter den Letten in Riga nur 35% den 8.März als sehr wichtigen Tag bezeichnen, während es unter den Russen 71% sind. Bei denjenigen, die mit diesem Tag überhaupt gar nichts anfangen können oder wollen, sieht es entsprechend aus: unter den Letten sind es 19%, unter den Russen 7%.

Die TNS-Umfrage brachte außerdem hervor, dass unter den 35-44-jährigen Einwohnern Lettlands der 8.März die größte Bedeutung hat. Gefeiert wird der Tag meist von denjenigen, die mit ihrem Partner verheiratet sind oder mit ihm/ihr zusammenleben, und dabei ein Einkommen zwischen 100 - 200 Lat (150-300 Euro) haben. Interessant auch, dass der 8.März von Frauen wie von Männern gleichermaßen gefeiert wird - was noch einmal die Aussage bekräftigt, dass es meist Paare sind.

Auf internationaler
Bühne wird Lettland - frauenpolitisch gesehen - inzwischen mit Präsidentin Vaira Vike-Freiberga gleichgesetzt. Ob gerechtfertigt oder nicht, in deutschen Kolumnen finden sich Sätze wie dieser: "Kein Sieg für die Frauen, keine Niederlage für die Männer, sondern eine einfache Karriere, wie sie vor ihr Maggie Thatcher, Golda Meir, Benazir Bhutto, Indira Gandhi, Tarja Halonen, Vaira Vike-Freiberga, Madeleine Albright oder Condoleezza Rice hingelegt haben. Im politischen Haifischbecken helfen weder Pumps noch Pimmel, nur Zähne." - so kommentiert allerdings ein Mann (Ralf Schuler, Märkische Allgemeine 8.3.07)

Wahrscheinlich ist aber angesichts der direkt bevorstehenden Präsidentschaftswahlen im Frühsommer, dass Lettland schon bald ohne eine so strahlende weibliche Symbolfigur dastehen wird. Ob dann wieder mehr zum Beispiel über Frauenhandel, Zwangsprostitution, dem kaum verdeckt blühenden Rotlichtgewerbe im Zentrum Rigas, der schwierigen Situation älterer Frauen auf dem Lande, oder von Frauen die im Ausland durch Billigjobs Geld zur Ernährung ihrer Familie verdienen gesprochen wird? Immerhin berichtet eine lettischsprachige Seite über den Start einer EU-weiten Kamapgne gegen die Zwangsprostitution.

Einige lettische Medien bringen heute zur Feier des Tages noch einmal einen historischen Überblick. Der Vorschlag, den 8.März als Tag der Frau zu begehen, sei auf der 2. Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz 1910 in Kopenhagen gemacht worden, und zwar von Clara Zetkin (LETA, TVNet, 8.3.07) Am 8.März 1857 habe es aber auch schon einen Streik unter Textilarbeiterinnen in New York gegeben, die für ihre Rechte kämpften. Kann das stimmen? Die Quellen sind hier offensichtlich US-amerikanisch dominiert: auch am 8.März 1908 habe es in New York eine Protestveranstaltung zum Thema Frauenrechte gegeben, steht da zu lesen. In Osteuropa würde der Frauentag - so LETA weiter - seit 1911 begangen (Beispiele werden leider nicht genannt). Klarer erscheinen da die Angaben zu den "Traditionen" zu sowjetischer Zeit: 1966 wurde der Tag der Frau zum arbeitsfreien Tag, in Lettland auch "Tag der Roten Tulpen" genannt, denn diese Blumen seien auch in schlechten Zeiten in meist zufriedenstellender Anzahl überall zu bekommen gewesen.

(die Geschichte vom starken Seemann - Abbildung - stammt vom lettischen Internetportal DELFI. Text: "Glückwunsch zum 8.März!")

Die Verfasser(-innen?) dieser zuletzt zitierten lettischen Presseberichte über historische Daten müssen sich allerdings schon von ihren lettischen Lesern auf ihrer Internetseite korrgieren lassen: "Alles schlecht recherchiert," steht da zu lesen, Clara Zetkin habe nur das wiederholt, was andere längst in die Praxis umgesetzt hätten. "Klar, zu Sowjetzeiten war es nur ein Ritual," äussert sich jemand mit Nickname "LĪBIIEŠU MĀRA", denn schließlich habe ja damals der Blumenstrauß die Männer lediglich 30 Kopeken gekostet. Beim Blumenstrauß sei es meist nicht geblieben, den Männern sei es regelmäßig viel wichtiger gewesen, noch mindestens 10 Rubel für die dazu gekauften alkoholischen Getränke auszugeben. "Wo aber waren damals die angeblich garantierten Frauenrechte?" wird weiter gefragt. "Gut, es gab Traktoristinnen, Bauarbeiterinnen - aber wie viele Frauen waren denn im Politbüro? Und wie viele Frauen in höheren Ämtern?"

Auch eine Initiative "zum Erhalt des 8.März" findet sich in Lettland. "Schmeißen wir alle sowjetischen Überbleibsel weg - aber es bleiben 100 Gründe, die es wert sind, diesen Tag für die Frauen zu behalten", so ist da zu lesen (DELFI, 8.3.07)

Keine Illusionen also - weder gestern noch heute. Nur die Blumenboukets sind teurer geworden: was "Fleurop Lettland" zum Beispiel auf seiner Internetseite anbietet, kostet durchweg zwischen 12 und 46 Lat (18-69 Euro). Ein teurer Spaß.

7. März 2007

Neue Klippen für die lettische Politik

Es scheinen die Zeiten der Konsolidierung angebrochen zu sein in der baltischen Region. Auch im nördlichen Nachbarland Lettlands übersteht ein Regierungschef eine Wahl - ohne dass die Wahlbeteiligung dramatisch sinken würde.
In Lettland hat die regierende Koalition aus Volkspartei (Tautas Partija), Vaterlandspartei (Tevzemei), Erster Partei / Lettischer Weg (Pirma Partija / Latvijas Cels) und Grünen & Bauern (Zaļo un Zemnieku savienība) inzwischen erfolgreich einen neuen Bürgermeister von Riga installiert - durch ein Mißtrauensvotum, unter geschickter Ausnutzung individuell unterschiedlicher Interessenlagen bei Abgeordneten anderer Parteien. Der "Neue" ist dennoch der Alte - Jānis Birks rückte vom Sessel eines Stellvertreters ins höchste Verwaltungsamt der lettischen Hauptstadt auf.

Stühlerücken auf Lettisch
Stärker als aus deutschen Verhältnissen gewohnt, sortiert so ein neuer Chef auch die untergeordneten Linen neu: die Stadtratsmehrheit wählte auch
Ēriks Škapars aus dem Amt des Geschäftsführers der Stadtverwaltung, und hob Andris Grīnbergs, ehemaliger Parteikollege von Bürgermeister Birks und zwischen 1994 und 2001 schon einmal auf diesem Posten (inzwischen parteilos), in seine neue Funktion. Ein Amt, das immerhin 2400 Lat Monatseinkommen bringt (ca. 3600 Euro). Ebenfalls eine "Belohnung" gab es für die lettische sozialdemokratische Arbeiterpartei LSDSP, deren bisher in der Opposition befindlichen Stadtratsabgeordneten bei der entscheidenden Abstimmung gegen den bisherigen Bürgermeister Aksenoks ins Lager dessen Gegner übergelaufen war: mit Jānis Dinēvičs wurde ein LSPSP-Mann ins Bürgermeister-Stellvertreteramt berufen.
Ein wenig wird schon gewitzelt um den beruflichen Werdegang von Birks in Zusammenhang mit seinem jetzigen Amt: als Anästhesist (die lettische Bezeichnung erinnert stark an "Rea
nimatör") und Mitglied einer natioalkonservativen Partei wundert es ja kaum, dass die Tendenz besteht, alte Verhältnisse wiederzubeleben.

Stadtdi
rektor Grīnbergs bemüht sich bereits nach Kräften, diesen Eindruck zu bestärken: keinesfalls, so am 6.März gegenüber der lettischen Presse (LETA), werde am 16.März der Platz rund um das Freiheitsdenkmal eingezäunt werden. Ein Zugeständnis gegenüber rechtsgerichteten Gruppen? Einige Jahre lang hat sich der 16.März in Lettland nun eingeschliffen als "Gedenktag" an die lettische SS-Legion, mit unterschiedlichen Vorzeichen. Zuletzt waren es nur noch ritualhafte Reflexhandlngen zweier politradikaler Gruppen gewesen - die ewig wiederholten Parolen, das ganze heutige Lettland als "faschistisch" zu deklarieren, und die ebenso formelhaften wie selbstgerechten Thesen, die lettischen SS-Leute hätten nichts anderes als ein freies Lettland im Sinn gehabt. Voraussichtlich ziemlich vergeblich hatte die lettische Präsidentin Vīķe-Freiberga versucht, klar Stellung zu beziehen, in dem sie den 11.November den Letten als nationalen Gedenktag zu bevorzugen nahelegte (Lāčplēsis-Tag - an dem 1919 Riga erfolgreich verteidigt und damit die lettische Unabhängigkeit abgesichert wurde).
2006 war der 16.März in Riga eher ein Zeichen der staatlichen Hilflosigkeit, denn es wurden angebliche "Bauarbeiten" vorgeschoben, um das gesamte Gelände einige Tage eingezäunt zu lassen. Das erzeugte neuen Ärger: schlichtes Blumen Niederlegen am Freiheitsdenkmal, seit den Tagen der Unabhängigkeitsbewegung in den 80er Jahren eine Art "Sakrileg" für alle Letten, die sich mit ihrem Land und dessen Schicksal verbunden fühlen, wurde an diesem Tag ebenfalls zu einem Hindernislauf.

Den Slogan von den "neue Zeiten" zum alten Eisen?
Was kom
mt nach dem Reinemachen im Rigaer Stadtrat? Man sollte meinen, so langsam würden die anstehenden Präsidentschaftswahlen die politische Diskussion noch mehr bestimmen. Doch wer sich überhaupt angesichts der als eigensüchtig und nur materiell orientiert verschriehenen Politiker überhaupt für die Ränkespielchen interessiert, regiestriert erstmal eine längere Reihe von Verwerfungen durch die Neuwahl des Bürgermeisters.
Von Aksenoks Partei "Janais Laiks" ("Neue Zeit" - JL) sagten sich drei Stadtratsabgeordnete los und verstärkten damit Gerüchte, diese um den exzentrischen ehemaligen Bankchef Repše versammelte Partei zeige Auflösungs- oder Spaltungserscheinungen. Diesen Eindruck verstärkten zuletzt die führenden Köpfe selbst: Olafs Pulks, JL-Fraktionschef im Stadtrat, hatte schon vor der entscheidenden Abstimmung um das Bürgermeisteramt die These geäussert, er könne sich auch eine andere Person aus seiner Partei als Bürgermeister vorstellen. Der JL-Parlamentsabgeordnete und Ex-Minister Kārlis Šadurskis lancierte der Presse, aus Kreisen der Parteimitglieder würde ein Verlangen nach einem Auswechseln der Parteispitze laut. Kandidat wär
e da Ex-Wirtschaftsminister Krišjānis Kariņš, ein ähnlich wie der jetzige estnische Präsident Ilves in den USA geschulter Neoliberaler. Repše seinerseits, nicht faul, schießt zurück und behauptet, seiner Partei drohe der finanzielle Bankrott. Wer kann da Schuld sein? Der gegen Repše's Willen gewählte gegenwärtige Generalsekretär, so Repše selbst. Wer kann die Situation retten? Nur Repše selbst, und seine Vertrauensleute - so verkündt der (Noch-)Parteichef. Wer möchte da Parteimitglied und Abstimmungsmaschine sein?
Eher schlecht stehen auch die Chancen der ehemaligen Aussenministerin Sandra Kalniete (siehe Foto) als Präsidentschaftskandidatin. Schließlich wird der nächste Präsident - oder die nächste Präsidentin - nicht vom Volk, sondern weitgehend von Politikern der verschiedenen Parteien gewählt. Und wer wird schon eine Abgesandte einer so eindeutig auf dem "absteigenden Ast" befindlichen Gruppierung in ein so hohes Amt heben? Parteien, die sich wie die JL als "rechts der Mitte" verstehen, gibt es in Lettland sowieso mehr als genug.

Auch die nächsten wichtigen Themen der lettischen Politik, so zum Beispiel die offenbar jetzt doch bevorstehende Unterzeichnung eines Grenzabkommens mit Russland, werden von der "Glättung" der Interessen nach dem "Putsch" gegen Rigas Bürgermeister abhängen. Ebenso die Präsidentschaftswahlen. Trotz stabiler Regierung lassen sich die lettischen Polit-Egomanen also nicht von ihren Spielchen hinter den Kulissen abbringen.