6. Juni 2008

Ostseerat in Riga: Politik ohne M und M

Nur alle zwei Jahre treffen sich die Regierungschefs der Ostseeanrainerstaaten zum sogenanten "Ostseegipfel". Da liegt der Gedanke nah, es könnte so etwas wie der Höhepunkt der Zusammenarbeit im Ostseeraum sein.
Doch weit gefehlt: die Zeiten haben sich geändert. Die Ostsee- region wirkt eher wie "globali- siert" - Beamte, Mandats- träger und Wirtschaftsmanager fliegen ständig hin und her, persönliche Treffen scheinen für die Diplomatenprofis alltäglich und unwichtig geworden zu sein. Und - das kennen nun die Nachbarn an der Ostsee zur Genüge - aus deutscher und aus russischer Sicht ist es immer noch eine Frage der Rang- und Reihenfolge. Riga ohne M & M - Merkel und Medwedjew. Sorry, Riga: wenn Putins Marionette uns als ersten in Westeuropa die Ehre eines Besuches geben will - dann müssen wir so ein Regionaltreffen in der lettischen Haupstadt eben sausen lassen ...

Gibt es die Ostsee aus deutscher Sicht überhaupt noch? Es hatte den Anschein, als ob auch alle deutschen Journalisten schon auf den Treppen- stufen des Berliner Kanzler- amtes warteten - Ostseerat? Was kann es da schon Neues geben?

"Ohne Merkel und Putin, aber mit Gazprom und Ruhrgas" - so titelte die lettische Zeitung "Neatkarīga" (3.6.08). Nein, der Ostseegipfel sei durch die Abwesenheit der deutschen und russischen Regierungsspitzen nicht beeinträchtigt, beeilte sich Aussenminister Riekstins der lettischen Presse zu erklären. "Unser Land gewinnt schon dadurch, dass wir eine solch hochrangige Konferenz überhaupt ausrichten, und nebenbei sorgen wir noch dafür, dass wichtige Wirtschaftskontakte geknüpft werden können," - so sah es Wirtschaftsminister Kaspars Gerhards (NRA 3.6.08).

Genügsame Letten. Gut, die Verkehrsstaus waren diesmal nicht so lang wie beim NATO-Gipfel (aber die Preise sind seit letztem Jahr schon wieder um 15% gestiegen!). Stolz meldet die Mercedes-Zentrale Riga: 66 (in Worten: sechsundsechzig) blitzblanke neue Limousinen wurden den Staatschefs während des Gipfels zur Verfügung gestellt. Beim NATO-Gipfel waren es noch 300 gewesen - das klärt die Dimensionen.

Ansonsten war es offenbar ein energiegeladener Gipfel. "Kritische Töne" gegen die Ostsee-Pipeline gebe es kaum noch, vermeldete Aussenminister Steinmeier stolz in der Heimat (AFP). Während aus baltischer Sicht die Sorge besteht, wie man überhaupt den krass steigenden Energiepreisen (Gas, Öl) entkommen kann (auch der Neubau eines Atomkraftwerks würde riesige Summen verschlingen), bemühen sich die komplett versammelten Nordstream-Manager den gesamten Planungs- und Durchführungsprozess ihres Ostsee-aufwühlenden Projekts für "durchsichtig" und "nach höchsten Umweltstandards" zu erklären. Perestroika und Glasnost für die Ostsee? Da gehört doch auch der Spruch "wer zu spät kommt, den bestraft das Leben" dazu. In diese Logik passt es, dass deutsche wie russische Pipeline-Protagonisten ihren kleinen Nachbarn noch ein paar ökonomische Brosamen zuwerfen möchten. Schlag nicht dem die Hand ab, woran du mit verdienst - so wird es wohl ausgehen. Konsequenterweise wurde auch nur ein Business-Forum parallel zum Gipfel aufwendig inszeniert - Öffentlichkeitsbeteiligung wäre mühsamer gewesen.

Ach ja - reformiert wurde auch. Allerdings eher nach der Devise "es kreiste der Elephant und gebar eine Maus". "Die nächste Ostseerats-Präsidentschaft (Dänemark) wird die Reform weiter führen müssen," so der klarste Teil der Aussage. Ob ein Ostseerat eigentlich nur für Beamte und Banker geschaffen wurde - darum kreisen die Reformgedanken offenbar kaum. Warum es kein einziges Projektförderprogramm gibt, dass alle Ostseeanrainerstaaten gleichermaßen und gleichberechtigt umfasst, und dabei nicht nur staatliche Instutitionen fördert - kein Thema beim Gipfel.
Na dann - bis zum nächsten Mal! 

Ergebnisse des Ostseegipfels: die Abschlußerklärung

Ergebnisse des Ostseegipfels: Erklärung zur Reform des Ostseerats

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