29. Dezember 2012

Ist das Kultur, oder kann das weg?

Eines der Kulturthemen des abgelaufenen Jahres:
der Chor der Oper drohte mit Streik, singt aber
vorerst weiter
Zum Jahresausklang sind auch in Lettland allerlei Rückblicke und Ausblicke zu lesen. Die folgende Themenübersicht ist - mit Ergänzungen - derjenigen des Portals "Delfi.lv" nachempfunden.

Lettisches Kino: Enttäuschungen, Nörgeleien, Hoffnung und Neuanfang

Aufsehen erregten 2012 verschiedene neue lettische Filme - was zunächst mal ein gutes Zeichen ist, denn bei einem Land mit nur 2 Millionen Einwohnern ist es ja nicht ganz selbstverständlich dass es überhaupt eine eigene Kinoproduktion gibt. Fest etabliert hat sich "Cinevilla" als "Kinoproduktionsstadt"; um es ökonomisch lohnenswert zu machen wird dort allerlei "Sonstiges" angeboten - vom Hotel über ein Wettlauf-Event bis zur Möglichkeit dort zu heiraten. Doch die politische Unterstützung fällt unterschiedlich aus: während bei der Premiere von "Sapnu komanda", dem lettischen Basketballmärchen, auch fast alle politischen Größen Beifall klatschten, gefiel das in "Kolka Cool" gezeigte ländliche lettische Alltagsleben der nationalistischen Rechten gar nicht: "zu viel Schimpfworte und Alkoholgebrauch im Film".
Lettische Freizeitangebote:
einmal selbst "Freiheitskrieg"
spielen im Kinodorf

Bedenklich dabei vor allem, dass Kritik mit finanziellen Drohungen verknüpft wird: ein mit staatlichen Fördergeldern finanziertes Werk soll bitte schön auch ein positives (Vor-)Bild des eigenen Lands zeigen - wenn es nach den Wünschen solcher Möchtegern-Kulturexperten geht.

In zwei Fällen wirkte sich politisches Geschacher und Finanzierungstaktik auch direkt aus. Zum einen war es das Filmfestival  "Arsenāls", dessen Tradition bis zum Jahr 1986 zurückreicht. 2011 konnte das 25-jährige Jubiläum gefeiert werden - im März 2012 gaben die bisherigen Verantwortlichen das Ende des Festivals bekannt: nach 2184 gezeigten Filmen und insgesamt 330.000 Zuschauern (DIENA 12.2.12). Auch die beiden bisherigen Sponsoren, Ex-Ministerpräsident Māris Gailis und Festivaldirektor und Filmemacher August Sukuts, zogen sich zurück. Außerdem sei es nicht gelungen, mit dem Stadtrat Riga und dem lettischen Kulturministerium eine Vereinbarung zum Erhalt des Festivals zu treffen. Ebenso legendär wie das Festival selbst war die Preisverleihungszeremonie: Sukuts servierte allen teilnehmenden Filmemachern Wein - eines der Gefäße enthielt einen Knopf von Sukuts Weste, und wer diesen beim Austrinken fand erhielt auch das Preisgeld. Aber vielleicht sind auch einfach die Zeiten solcher generöser "Kulturpaten" vorbei? Während Sukuts sich lange vor dem Ende des Festivals ein Haus im sonnigen Spanien kaufte und dort leben will, und Gailis es auch schon mal zu einer Weltumseglung drängte, bleibt die Kinoförderung in Lettland mühsames Tagwerk. Im Herbst wurde das Konzept für ein neues lettisches Kinofestival vorgestellt, das künftig "FF RIGA" heißen soll (siehe "Baltic Times") und vor allem die Konkurrenz des inzwischen gut etablierten "Black Nights Festival" im estnischen Tallinn annehmen muss, wo schon in den vergangenen Jahren Filme präsentiert wurden, die eigentlich auch Teilnehmer beim "Arsenāls" hätten sein können.

Oper Riga: Leitung in Frage gestellt

Wenn es schon "alles ist Dunkelheit" heißt - so
soll es auch dunkel bleiben! - so reagierte die
Stadt Riga auf einen polnischen Gastkünstler
Einen Teil der Kritik zog auch das Förderprogramm des staatlichen "Kulturkapitalfond" auf sich ("Valsts kultūrkapitāla fonds" VKKF). Die Kriterien zur Aufnahme in eine Liste von "landesweit wichtigen Kulturprojekten" wurden vor allem von denen in Frage gestellt, die sich unberücksichtigt fanden: außer den beiden Kinofestivals "Arsenāls" und "Baltijas Pērle" auch nicht das Opernmusikfestival in Sigulda und das lettische Ballettfestival. Irritationen erzeugte Kulturministerin Jaunzeme-Grende schon Anfang des Jahres mit ihrer Entscheidung, den Vertrag von Andrejs Žagars, dem Chef des Opernhauses in Riga, nicht zu verlängern sondern die Stelle auszuschreiben. Begründet wurde das mit angeblichen Finanzschwierigkeiten bei der Oper. Mit der Ankündigung eines Audits folgte dann aber doch die Vertragsunterzeichnung mit Žagars, allerdings nur auf ein Jahr. Ob es da 2013 neue Unruhe geben wird? Žagars hatte angekündigt, dass zwar die Oper gegenwärtig alle aufgenommenen Kredite bedienen könne, aber für die Arbeit der kommenden Jahre eine halbe Million Lat mehr erforderlich seien. Dazu kamen im Mai und Juni 2012 Diskussionen um den Opernchor, der aufgrund Arbeitsüberlastung und niedriger Entlohnung kurz vor einem Streik war. Und nun hat auch Chefdirigent Karel Mark Chichon in Riga gekündigt - aus Protest gegen niedrige Musikerlöhne (siehe "Der Standard").

Zeit für Kultur - und für Pöstchen und Finanzen

Im Juni 2012 gründete sich die Initiative “Laiks kultūrai” (Zeit für Kultur) als Verein, mit Theater- Opern und Museumsdirektor/innen als der Mitgliedern. Ausgangspunkt waren zunächst nach Ansicht der Initiative fruchtlose Versuche, mit Kulturministerin Jaunzeme-Grende ins Gespräch zu kommen, und die Verfassung eines Memorandums, das vor allem von einer Arbeitsgruppe unter Leitung der Schriftstellerin Nora Ikstena initiiert worden war. Seit 2008 sind nach Analysen der Initiative im Mittel 13% der Staatsausgaben zurückgefahren und gekürzt worden - aber 42% der Ausgaben für Kultur. Ein Absinken des Kulturhaushalts unter 2,5% des Staatshaushalts sei nicht hinnehmbar.
Im Juni erklärte dann Juris Dambis, Architekt, Leiter der staatlichen Denkmalpflege Lettlands und neuer Vorsitzender von  “Laiks kultūrai”, der Dialog mit der Ministerin verbessere sich langsam. War es am Anfang noch die Forderung nach Rücktritt der Ministerin, entließ diese schließlich ihre  beiden Berater (beides selbst Ex-Kulturminister) Ints Dālderis un Sarmīte Ēlerte. Letztere wurde inzwischen von der Fraktion "Vienotība" als Kandidatin für den Posten der Bürgermeisterin von Riga ausgerufen - also Gegenkandidatin von Bürgermeister Nils Ušakovs. Seitens der Kulturministerin wurden drei neue "Berater" ernannt: Dambis, sowie Solvita Krese (Lettisches Zentrum für Zeitgenössische Kunst) und Haralds Matulis (Latvijas Radošo savienību - Rat der Kreativen Vereinigungen Lettlands). Eines der Ziele der Initiative ist es - neben ausreichenden Finanzen für alle Kulturinstitutionen - dass Kultur als eine der Prioritäten des Staates festgeschrieben werden möge. Die Mitglieder von “Laiks kultūrai” vereinigen insgesamt etwa 5000 im Kulturbereich arbeitende Mitglieder.

Kunst in Riga - nicht überall willkommen

Lettischer Grammy-Kandidat:
Komponist Uģis Prauliņš
Im Oktober/November lud Riga Bildhauer unter dem Thema "Integrācijas anatomija" (Anatomie der Integration) ein. Eine Veranstaltung mit Tradition, die in ähnlicher Form schon seit 1972 durchgeführt wird. Seit 2004 ist das "Mākslas Menedžmenta un Informācijas centrs (MMIC)" verantwortlich, 2012 mit Aigars Bikše, Ivars Drulle und Inese Baranovska als Kuratoren. Aber schon vor der Eröffnung gab es Schwierigkeiten: für drei Arbeiten gab die städtische Bauverwaltung keine Erlaubnis zur Anbringung an den dafür vorgesehenen Gebäuden. Stefanos Tsivopoulos (Niederlande / Griechenland) nannte sein Werk ”Putin's Vorwahlkampf-Bühne” und wollte die Wiederwahl Putins in Russland künstlerisch kommentieren. Hubert Zcerepok aus Polen, der auch viel in Deutschland ausstellt, wollte mit "Alles ist Dunkelheit" einen feurigen Davidsstern mit einem Comet kombinieren und in der Nähe des lettischen Freiheitsdenkmals anbringen lassen. Und auch die plastischen schwarzen Soldaten des Letten Ginters Krumholcs ("Im Namen der Rose") sollten am Freiheitsdenkmal aufgestellt werden - immerhin einem Ort, der 1990 durch Kunstausstellungen mitten in den hitzigsten politischen Diskussionen für interessante künstlerische Aspekte sorgte. Im Jahr 2012 war Ähnliches unerwünscht, und die Ausstellung zog ins Eisenbahnmuseum auf die andere Seite der Daugava um. Sozial engagierte Künsterinnen und Künstler einzuladen, die auch die Lage in Europa und in der Welt im Blick haben - so der Anspruch der Organisatoren. In Rigas "guter Stube" waren allzu viel künsterische Nadelstiche zum Thema "Integration" dieses Jahr offenbar unerwünscht (siehe "Artleaks und LETA)".

2013 - wieder ein Chor-Jubeljahr?

2012 erregte zunächst Dirigent Māris Sirmais Aufsehen mit der öffentlichen Ankündigung, sich nach 22 Jahren Zusammenarbeit vom vielfach preisgekrönten Chor "Kamēr" zu trennen. Komponist Uģis Prauliņš wurde für seine Komposition "Die Nachtigall" gleich für zwei Grammys nominiert. Lange im Unsicheren blieb aber die Finanzierung des Großen Sänger- und Tanzfestes, das regulär im Juli 2013 stattfindet. Ein offener Brief von Amateurchorleitern machte die ziemlich kümmerliche Unterstützung der ehrenamtlichen Chorleiter und -organisatoren deutlich, und auch der konkrete Umfang des Budgets für das Sängerfest blieb lange unklar. Vom 30.Juni bis 7.Juli 2013 werden in Riga 390 Chöre, 540 Volkstanzensembles und 55 Blasorchester erwartet (Programminfo).
Also: auf ein neues, gutes Kulturjahr!

14. Dezember 2012

Die Sache mit dem Geld

Euro ohne Krise - geht das? 
Innenpolitisch hat Lettland so manche aktuelle Fragen zu bewältigen: von der Bildungsreform über die nötigen Reformen im Gesundheitswesen bis hin zur Regionalpolitik. Nichts davon bringt die Regierung von Ministerpräsident Dombrovskis derzeit ernsthaft ins Wanken. Aber eine Frage spaltet doch die verschiedenen politischen Lager gleichermaßen und sorgt für Nervosität: Die Zustimmung zur Euroeinführung wie geplant am 1.Januar 2014 sinkt. Neueren Umfragen zufolge erwarten nur noch 20-25% der Bevölkerung dass es genau so umgesetzt werden wird.

Dombrovskis und seine Minister bemühen sich derzeit, den Übergang zum Euro als ganz normalen Teil der laufenden Wirtschafts- und Finanzpolitik darzustellen. Manches folgt dabei gewohnten Schablonen und Mechanismen: in vielen Fällen schaut Lettland eben doch neidisch auf den nördlichen Nachbarn Estland, und möchte am liebsten das, was die Esten heute tun, morgen im eigenen Lande auch zur Verfügung haben.
Andererseits folgt die Diskussion momentan auch den vielfältigen Medienschlagzeilen zum Thema Europa: gefühlt hat es seit dem Ausbruch der weltweiten Wirtschaftskrise 2008 kein Aufatmen mehr gegeben - Europa rutscht von einem Krisentreffen ins nächste. Von Lettinnen und Letten wurde abverlangt, kurzfiristig erhebliche Lohnkürzungen bis zu 25% hinzunehmen - und dies auch alles ganz "ordnungsgemäß" abzulaufen schien, während die Menschen in anderen Ländern wie Griechenland oder Spanien zu Zehntausenden protestierend auf die Straße gehen. Ob es nun lettischen Stolz hervorruft, dass Lettland inzwischen besonders von konservativen Wirtschaftsvertretern teilweise als "Vorbild für Europa" angesehen wird? Wohl nur unter denen, die finanziell selbst keine Sorgen haben.

Brüssel oder Moskau?
"Es ist eine Wahl zwischen Euro oder Rubel!" - behauptet die konservative Europaparlamentarierin Sandra Kalniete. Sie möchte gerne "mit an dem Tisch sitzen, wo die wichtigen Entscheidungen getroffen werden." Einige lettische Politiker fürchten also um ihren Einfluß in der Europapolitik (und drohen mal wieder mit wachsendem russischen Einfluß als angebliche Alternative). Kalniete weist darauf hin, als lettische Botschafterin in Frankreich die Zeit erlebt zu haben, als die Franzosen sich von ihrem Franc trennen mussten und nennt die Deutschen als Vorbild: "die hatten es am schwersten, denn wie für uns war die DM ein Symbol der wirtschaftlichen Erholung." Und für Aivars Endziņš, Chef des lettischen Verfassungsgerichts, ist die Sache sowieso klar: "Darüber haben wir ja schon abgestimmt, als wir uns für den EU-Beitritt entschieden haben," sagte er lettischen Journalisten. Wer behaupte, bei einer Euro-Einführung eine gute Begründung für eine Klage vor dem Verfassungsgericht zu haben, der gehe fehl.

Die Oppositionspartei "Saskaņas centrs" (SC) nutzt derweil das Euro-Thema auch für die Kommunalwahl: die steht im Frühsommer 2013 an, und SC-Spitzenkandidat ist Bürgermeister Ušakovs - mit guten Chancen auf Wiederwahl. Ob da der Vorschlag, gleichzeitig mit den Kommunalwahlen am 1.Juni ein Referendum zur Euro-Einführung durchführen zu wollen eigentlich ernst gemeint ist, oder nur die Wiederwahl zementieren soll, wird nur die als Russland-freundlich geltende Partei selbst wissen. Das Argument, Dombrovskis solle sich für die Euro-Einführung "das Mandat vom Volk" holen, klingt jedenfalls auch nicht ganz ehrlich: eine Einführung zum 1.1.14 würde wohl kompliziert werden wenn sie bis zum 1.Juni 2013 unsicher bleiben müsste. Und wie genau würde eine Frage beim Referendum lauten? Euro ja oder nein, oder mehrere "Wunschdaten" zur Auswahl stellen? Details dazu sind vorläufig der politischen Taktiererei überlassen. SC-Vertreter jedenfalls benutzen gegenwärtig gern den Begriff vom "Euro als Trojanischem Pferd".

Politisch für den Lats, privat lieber Devisen?
Eines scheint sicher: der Weg zur Euro-Einführung bedeutet momentan gleichzeitig eine weitere Zustimmung zur Regierungspolitik - denn Währungs- bzw. Wechselkursschwankungen gab es ja auch in den vergangenen Jahren nie, allzu fest war der Lat an den Euro gebunden. Gerüchte einer Abwertung des Lat, um heimische Finanzschwierigkeiten zu beheben, blieben nur Gerüchte: dem steht allein schon die Statistik entgegen, dass über 80% aller Kreditaufnahmen in Lettland sowieso in Euro laufen (siehe "IR" 12.12.).
Mehr Argumentationsschwierigkeiten haben da schon die lettischen Nationalisten auf der einen und die oppositionelle Bauernpartei auf der anderen Seite. Ganze fünf Stunden lang diskutierten Vertreter der nationalen Liste ("Visu Latvijai" / "Tēvzemei un Brīvībai/LNNK") in dieser Woche über dieses Thema. Den Lat nur aus nationaler Symbolik beizubehalten, dazu konnte sich aber zumindest die Parteiführung der Nationalisten doch nicht durchringen. Man wisse zwar, dass der Euro kein Wundermittel sei, aber die Angst vor einem auch international erkennbaren Kurswechsel ist auch hier größer als das eigentliche Vertrauen in den Euro.

Umfragen zum Thema Euro gibt es in Lettland gegenwärtig häufig, aber je nach Auftraggeber fallen auch die Ergebnisse aus. "Latvijas Fakti" weist im Auftrag der lettischen Nationalbank 59% Gegner einer Euro-Umstellung auf, während dem "DNB Barometer" zufolge 50% eine Euro-Einführung zumindest in den allernächsten Jahren befürworten. Das "DNB Barometer" fragte auch nach den größten Bedenken der Letten: an der Spitze steht hier die Angst vor steigender Inflation. In einem sind sich die Umfrageinstitute aber einig: gegenwärtig wirken sich auch scheinbare Kleinigkeiten stark auf die Stimmungstendenz aus. Die Agentur SKDS übersetzt die sinkende Zustimmungstendenz in Lettland in Zahlen: 2004 waren bei den SKDS-Umfragen noch 41,1% für den Euro, 2009 waren es noch 36,7%, Ende 2012 nur noch 23,1% die eine Euro-Umstellung bedingungslos befürworten. - Gleichzeitig meinen aber auch 44% (Umfrage Eurobarometer) der Letten, die Einführung des Euro habe das eigene Privatleben eher positiv beeinflußt.

Ein Beitrag der Zeitschrift "IR" schaut auch bei den Politikern genau hin: da in Lettland alle Politiker ihre privaten Rücklagen öffentlich angeben müssen, fällt es Pauls Raudzeps in der "IR" nicht schwer ein gespaltenes Verhältnis der meisten Oppositionspolitiker nachzuweisen. Seiner Untersuchung zufolge gipfelt es beim SC-Abgeordneten Igors Meļņikovs, der in seiner Steuererklärung 2011 nur ein Vermögen von 4.000 Lat, aber Rücklagen in Höhe von 100.000 US-Dollar angegeben habe.
Kārlis Seržants, Abgeordneter der oppositionellen Lister der Bauernpartei und der Grünen, bemühte in der Zeitung "Diena" das dänische Beispiel. Dänemark habe durch seinen Nicht-Beitritt zur Eurozone 40 Milliarden gespart - pro Bürger 9.000 Euro. Einzige Einschränkung: "Ich bin Historiker, kein Wirtschaftsfachmann", so Seržants. Seine Fraktionskollegin
Dana Reizniece-Ozola gab vor auch bereits das Datum des Zusammenbruchs des Euroraums zu wissen: "Am meisten genannt wird der 28.Juli 2014", teilte sie den erstaunten Parlamentskollegen mit. 
Trotz solcher Sprüche - die erste Lesung der Gesetzesvorlage zur Euro-Einführung, die in dieser Woche im lettischen Parlament beraten wurde, bezeichnete die Wirtschaftszeitung "Dienas Bizness" als bloßen "Rhetorik-Wettbewerb". Dennoch: der erste Schritt Richtung Euro ist bereits getan.

Vielleicht demnächst in neuer Fassung im
Handel? ("Letties entdecken die Geldfabrik"?)
Die Fähigkeiten der Ba-Wü-Münzprägung
als Kinderspiel

Estnische Mahnung, deutscher Nutzen
Unterdessen trat - angeblich auf Einladung des lettischen Präsidenten Bērziņš - der estnische Präsident Ilves kürzlich im lettischen Fernsehen mit einer Euro-Rede auf. "Unsere Minister kümmern sich nur noch um den Euro", meint der estnische Gast, "aber den lettischen Kollegen schmerzt der Kopf gleich zweimal: wegen dem Lat und wegen dem Euro." Auch in der Krise sei es besser, bei den wichtigen Beschlußfassungen mit am Tisch sitzen zu können, so Ilves. Und auch er bemüht das deutsche Beispiel: nicht einmal Deutschland wolle ja den Euro aufgeben, denn Berlin fürchte einen Exportrückgang als Folgewirkung. Und: "Ländern wie Griechenland und Italien kann innerhalb der Eurozone geholfen werden. Wer den Euro nicht hat, kann nur noch auf den Internationalen Währungsfond (IWF) hoffen."

Einen Nutzen wird auch Deutschland von der lettischen Währungsumstellung auf jeden Fall haben: zumindest die "Staatliche Münzen Baden-Württemberg", denn dort werden die lettischen Euros geprägt. Kosten: über 5 Millionen Euro. Keine Überraschung, denn an gleicher Stätte wurden auch schon Lats hergestellt.
Auch die "Deutsch-Baltische Handelskammer in Estland, Lettland, Litauen" (AHK Baltische Staaten) befürwortet den Beitritt Lettlands zum Euroraum  - vor allem mit Blick auf die positiven Aussichten für die Geschäftstätigkeit der vielen in Lettland aktiven deutschen Unternehmen, so der Text einer Pressemitteilung. Anläßlich eines Treffens der Handelskammer mit Ministerpräsident Dombromvskis bekräftigte die Kammer noch einmal: "Die Unternehmen würden durch größere Preistransparenz und weniger Transaktionskosten profitieren." Ähnliches lassen lettische Ökonomen bezüglich lettischer Firmen verlauten: die entsprechenden Thesen bauen allerdings ausschließlich auf die Aussicht auf Wirtschaftswachstum und Export. "Geld kommt nicht daher dass es von der Zentralbank herausgegeben wird, sondern dadurch dass unsere Unternehmer es verdienen," so sagte es Mārtiņš Bitāns, Währungsexperte der Lettischen Nationalbank, der Latvijas Avize.
 
Anders sieht es nur in den Leserbriefspalten und Internetforen aus. Dem (deutschen) Volk aufs Maul geschaut, gibt es dort nichts als Misstrauen gegenüber zusätzlichen Euro-Interessenten. Die üblichen Argumente: die Vermutung, Deutschland müsse dann nur noch ein armes Land mehr mitversorgen bis hin zu Behauptung, Euro-Befürworter seien schlicht "Idioten und Verführte". Wo soll eigentlich die Euro-Begeisterung herkommen, wenn sie von den Menschen im Euroraum nicht geteilt wird?

Regierungschef Dombrovskis baut wohl weiterhin auf sorgfältige Erledigung der "Hausaufgaben". Finanzminister Vilks kündigte in dieser Woche an, dass Lettland Kredite in Höhe von 603.000 Euro, die 2008 vom IWF zur Verfügung gestellt wurden, bis Jahresende vorzeitig zurückzahlen wird (IWF 10.12.12).

Die Bank von Lettland gab unterdessen bekannt, dass ab dem 1.Januar 2014 der Umtauschkurs 1,42 Euro  zu 1 Lat betragen wird (0.702804 Lat = 1 Euro).  

Schnee macht Arbeit - und hilft Autobesitzern


Wer diese Woche als Autofahrer in verschneiten
Straßen steckenblieb, konnte einfach umsteigen:
kostenfrei in Straßenbahn und Trolleybus

Eines der Lieblingsthemen von Bürgermeister Ušakovs scheinen Vergünstigungen bei Straßenbahnen und Bussen der Hauptstadt zu sein. Ob es nun sozial Benachteiligte sind,  Kriegsbeschädigte oder Behinderte - freie Fahrt im Trolleybus ist immer noch ein beliebtes Geschenk an die geschätzten Wählerinnen und Wähler. Über kostenloses Fahren am Nationalfeiertag wunderte sich kein Lette mehr, und als diese Woche sehr viel Schnee innerhalb weniger Stunden vom Himmel fiel, verkündete Ušakovs die freie Busnutzung für alle PKW-Besitzer. Wieso das? Es sollte wohl ein Entgegenkommen dafür sein, dass die Straßenwacht nicht alle Straßen gleichzeitig schneefrei schieben konnte: mit dem Vorzeigen einer PKW-Registrierung hatte auch der Straßenbahnschaffner ein Einsehen. "Danke, dass sie an diesem Experiment teilgenommen haben" schrieb Ušakovs auf einer eigens eingerichteten "Schnee-in-Riga"-Webseite. Seinem Eindruck seien an diesem Tag etwas weniger Autos auf den Rigaer Straßen gewesen - ob es aber Folge oder Wirkung der Umsonst-Tickets gewesen seinen habe man nicht feststellen können. 

Übrigens gelten fürs Schneeräumen für private Hausbesitzer in Riga ebenso strenge Regeln wie fürs Hissen der Nationalflagge an Feiertagen oder das Straßefegen: allein am gestrigen 13.Dezember wurden laut Angaben der Polizei 250 Strafprotokolle ausgestellt an Eigentümer, die ihrer Räumpflicht nicht nachgekommen waren.Ähnliches kann Hauseigentümern passieren wenn Dächer nicht geräumt werden.

Vor wenigen Tagen hatte die Straßenverwaltung eine Vereinbarung mit der lettischen Bauernvereinigung geschlossen, dass den Einsatz bäuerlicher Hilfe mittels Traktoren in der Hauptstadt vorsieht.

Info: Übersichtskarte zu Straßenverhältnissen im Winter