25. November 2011

Zwei Banken, und die Herren A + B

Das Stichwort "Bankenkrise" ist in Lettland geeignet, Panik auszulösen. So war es 1995, als die Kunden der "Banka Baltija" zusammenbrechen sahen und viele Guthaben über Nacht "verschwanden". Und so war es 2008, als der lettische Staat mit 200 Mill Lat aufbringen musste, um die staatliche "Hipoteku Banka" bauftragen zu können 51'% der Anteile der "Parex Banka" für einen symbolischen Preis von 2 Lat zu kaufen und damit "Parex" vor dem Zusammenbruch zu retten.
Auch 2008 war es November, als private Sparer bereits über 200 Millionen Lat bei Parex abgehoben hatten, bevor die Regierung sich gezwungen sah einzugreifen. Damals wurden die Ursachen - neben den Auswirkungen der weltweiten Krise - bei ungezügeltem Konsum mit geborgtem Geld und einer Explosion der Immobilienpreise gesehen.
Parex-Werbung, gesehen im Februar 2009:
"Es gibt Dinge, da sind wir die besten"
Und in dieser Woche sind es nun die Auswirkungen der Zwangsverstaatlichung der litauischen Bank "Snoras", deren Auswirkungen auch Lettland erreichen. Den beiden Haupteigentümern der "Snoras", dem Russen Vladimir Antonov und dem Litauer Raimondas Baranauskas (A hält 68,1% und B 25,31% der Anteile) wird in Litauen Bilanzfälschung und Betrug vorgeworfen. "Snoras" hält aber auch 68% der Anteile an der lettischen "Krājbanka" - als Snoras diese Anteile 2005 übernahm, hatte die "Krājbanka" sich auf das am besten ausgebaute Filialnetzwerk in Lettland stützen. Der Umschwung kam nun plötzlich: noch am 14.November bot "Snoras" auch Kunden in Lettland Kredite mit 40 Jahren Laufzeit an. Nur drei Tage später die eilige Meldung, man sei keinesfalls insolvent und würde die Geschäfte innerhalb 24 Stunden wieder aufnehmen.  Ähnliches bemühte sich auch die "Krājbanka" zu erklären. Kurz darauf saßen die Herren A und B dann in Großbritannien in Untersuchungshaft (wurden inzwischen gegen Zahlung einer Kaution vorläufig wieder auf freien Fuß gesetzt).

Die zweite Welle

Doch keine Frage - wer in Lettland Geld auf der Bank hat, ist beunruhigt. Wird es weitere Banken treffen? Der amtierende Präsident der Bank von Lettland, Ilmārs Rimšēvičs, ließ sich in der lettischen Presse mit einer Aussage zitieren: "Die zweite Welle der Krise hat bereits begonnen." Europäische Analysten beruhigen ähnlich wie 2008 mit dem Argument, die meisten Banken würden sich in skandinavischem Besitz befinden (Parex war in Lettland die einzige größere Ausnahme). Derweil hatte Litauen für die beiden ehemaligen Eigentümer der frisch verstaatlichten "Snoras" einen internationalen Haftbefehl aus, und auch in Lettland fragt man sich: Wer ist eigentlich dieser Antonovs? Der russische Geschäftsmann lebt schon seit Jahren in London, und dort sind vor allem zwei seiner (teuren) Hobbys bekannt: Sport und schnelle Autos.
Und siehe da: Antonovs und Baranauskas wurden inzwischen in Großbritannien verhaftet (BBC News 24.11.). Antonov ist im südenglischen Portsmouth über seine Firma "Convers Sports Initiatives (CSI)" Eigentümer des Portsmouth Football Club, der bis 2010 in der ersten Liga spielte. Der Portsmouth Fußballklub beeilt sich zu versichern, dass sportlich alles wie gewohnt weitergeht (der Klub musste bereits 2010 einmal seine Zahlungsunfähigkeit eingestehen, stieg deshalb ab und auch der Europacupplatz ging verloren). Erst im Juni diesen Jahres hatte Antonov die Übernahme des Fußballklubs besiegelt (BBC 1.6.). Wie Baltic Times berichtet, droht Antonov in Litauen eine Haftstrafe von bis zu 10 Jahren. Antonov hatte zuvor nicht ausgeschlossen, eventuell Asyl in Großbritannien zu beantragen.

Spekulanten und verschwundene Gelder
Angaben der lettischen Staatspolizei zufolge sind bei der "Krājbanka" Einlagen im Wert von 100 Millionen Lat "verschwunden", während bei der Snoras-Bank die genannten Summen bis zu einer Milliarde Litas reichen (ca. 290 Millionen Euro). Wie die litauische Finanzministerin Ingrida Simonyte inzwischen bekanntgab, wird die litauische Regierung "Snoras" nicht mit zusätzlichen Finanzmitteln aus den Schwierigkeiten helfen. Man beabsichtige aber, die Rückzahlung von Einlagen bis 100.000 Euro staatlich zu garantieren und plane die Gründung einer "Bad Bank". Diese Absicht wiederum ruft die lettischen Nachbarn nun auf den Plan: Lettland hätte es wohl lieber gesehen, wenn Litauen im Fall "Snoras" ählich handeln würde wie beim lettischen Beispiel der Parex-Bank 2008. Ein für heute (Freitag) geplantes Zusammentreffen von Dombrovskis und Kubilius in Vilnius wurde kurzfristig abgesagt. Auch Lettland wird vor der Frage der möglichen Handlungsvarianten stehen: den Kunden der bankrotten Bank gar nichts zahlen (wie im Fall "Banka Baltija" 1995 - das wird sich niemand politisch leisten können), die Bank retten (mit welchem Geld?) oder die Bank zwar pleite gehen lassen aber Einlagen zurückzahlen (aber woher auch dieses Geld nehmen?). Oder die Bank in einen guten und einen schlechten Teil (Bad Bank) aufteilen. Verschiedentlich ist zu lesen, dass wohl weder "Snoras" noch "Krājbanka" eine Zukunft haben. Die beiden Regierungen sind aber bemüht, den gesetzlich vorgesehenen Sicherungsrahmen für die privaten Guthaben zu bedienen. Für kommenden Montag bereits wird in Riga die amtliche Erklärung der Zahlungsunfähigkeit der "Krājbanka" erwartet - gleichzeitig versuchen die Finanzexperten eine Strategie zur Sicherung der Einlagen zu erarbeiten.

Weitere Wellen
Lettische oder litauische Bankenpleiten scheinen momentan die großen deutschen Medien nicht zu interessieren - vielleicht sind die Summen im Zusammenhang mit den auf- und niederschwappenden Euro-Krisen einfach größer? Dafür tauchen entsprechende Nachrichten überall dort auf, wo Antonov-Geld im Spiel ist: zum Beispiel im Rallye-Sport (Motorsport-Total). Für das "Rallye-Magazin" galt Antonov zwischenzeitlich schon als "verschwunden", Antonov hatte als Miteigentümer der britischen "North One Sport" die Rechte zur Vermarktung der Rallye-WM erworben. Auch mit einem Versuch beim schwedischen Autobauer Saab einzusteigen war Antonow kürzlich aufgefallen - jetzt titelt das Manager-Magazin: "Der Saab-Retter taucht ab."
Weniger Schlagzeilen machen bisher die Nöte derjenigen, die in Lettland bei der "Krājbanka" ihr Geld angelegt haben - dazu zählen auch Gemeindeverwaltungen und Hochschulen. Um eine vollständige Panik zu vermeiden, erlaubte in den vergangenen Tagen die Bank an ihren Bankomaten jedem Kunden pro Tag eine Summe von 50 Lat abzuheben. Gegen den Gerichtsbeschluß, Ivars Priedītis, den Vorstandsvorsitzenden der "Krājbanka" in Haft zu nehmen, ist inzwischen Beschwerde von Priedītis' Anwalt eingelegt worden.

bis heute noch im Internet verfügbar:
Parex-Kontoeröffnung auch für Deutsche

Lehren aus vergangenen Pleiten?
Mitte 2010 ging aus der lettische "Parex" die "Citadele-Banka" hervor, beide formell getrennt voneinander. Auch im "Parex"-Fall waren es zwei Großaktionäre, die durch ihre Geschäfte die Bank in Schwierigkeiten brachten. Walerie Kargin und Wladimir Krasovitsky, die mit einer Wechselstubenlizenz anfingen und zu Bankaktionären aufstiegen, hatten damals bereits zwei Bankfilialen auch in Deutschland eröffnet, "Parex" gehörte auch dem Einlagensicherungsfond deutscher Banken an. Nach der Pleite stürzten sich die Medien auf die Luxusgüter die beide auch noch der Pleite behalten durften.
Manche Geschichten haben ein langes Leben. Noch immer ist im Internet eine deutschsprachige Heroengeschichte zur Geschichte der Parex-Bank zu lesen - sie endet 2008 mit einer Filialeröffnung in München.
Wie heißt noch das Sprichwort? "Ist der Ruf erst ruiniert so lebt es sich ganz ungeniert."
Und einem deutschen Politiker könnte man angesicht der vorliegenden Interessenlage in den Mund legen: "Aber der Euro ist doch weiter stabil!"
Die erst kürzlich im lettischen Fernsehen gelaufene Werbekampagne für "Latvijas Krājbanka" läßt sich übrigens hier betrachten, sogar mit englischen Untertiteln ...
Und auch die mögliche nervöse Nachfrage: "Papa, warum haben wir ausgerechnet ein Konto bei dieser Krajbanka?" wird HIER punktgenau von der betroffenen Bank beantwortet (ebenfalls mit engl. Untertiteln).

Keine Kommentare: