31. Januar 2011

Ungeliebte Helden?

Es sieht aus wie die nahtlose Fortsetzung einer großen Sporttradition: nach Jānis Ķipurs, der 1988 unter der Flagge der Sowjetunion zusammen mit einem Russen olympisches Gold und dazu noch Bronze im Viererbob gewann (und bereits 1984 Europameister im Zweierbob war), nach Zintis Ekmanis, 1985 Europameister im Zweierbob und Bronzemedaillengewinner, nach Sandis Prūsis (2003 Europameister im Viererbob) und Jānis Miņins (2008 Europameister im Viererbob) nun Edgars Maskalāns, der am vergangenen Wochenende zusammen mit seinen Anschiebern Daumants Dreiškens, Uģis Žaļims un Intars Dambis in St.Moritz überraschend seinen ersten Weltcupsieg holte.

Schon die lange Erfolgsbilanz von Ķipurs zeigt, was die Letten im Bobsport zu verteidigen haben. Aber es ist auch die Art, wie lettische Sportfans die Sportereignisse als verknüpft mit dem Schicksal des Landes darstellen. Das lettische Sportportal Bobslejs.lv legt Wert darauf, dass "die lettischen Bobfahrer" 1990 im Januar nach den blutigen Ereignissen in Vilnius und Riga die Teilnahme an der Bob-WM absagten und sich am Barrikaden-Bau rund um den Ministerrat in Riga beteiligten. Bei den ersten drei olympischen Spielen, an denen Lettland dann wieder mit einer eigenen Mannschaft teilnahm, waren Bobfahrer die Fahnenträger: Jānis Ķipurs 1992 in Albertville, Zintis Ekmanis 1994 in Lillehammer, und Sandis Prūsis 1998 in Nagano.

Doch es ist Ärger im Lager der lettischen Bobfahrer. Die Sportreporter des deutschen Fernsehens wunderten sich am vergangenen Sonntag, warum Maskalāns statt Jubelgesten immer nur schlicht den Finger auf die Lippen legte.  Vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise sind es vor allem stark verminderte Finanzierungsmöglichkeiten, die den lettischen Verband bei der Förderung seiner Sportler einschränkt. Aber offenbar ist das nicht das einzige, was die lettischen Bobfahrer entzweit. "Visu tikai Miņinam!" (alles nur für Miņins) sei die Devise des lettischen Bobverbands, beschwerte sich Maskalāns schon vor einem Jahr öffentlich (siehe Kas jauns, NRA)."Wir haben doch zwei Teams, doch wieso wird eines davon so einseitig unterstützt?"

Es läßt sich leicht denken, dass es auch hier vornehmlich ums liebe Geld ging. Im Dezember, wenn die Bobfahrer ihre Wettbewerbe in Nordamerika haben, sparten sich die Letten die Reisekosten völlig. Erst im Januar und Februar sind sie nun in den Wettbewerben wieder dabei. "Es ist nun einmal eine Tatsache, dass im Bobsport die technische Seite sehr ausschlaggebend ist," gibt Ex-Profi Zintis Ekmanis, der heute Vizepräsident des lettischen Bobverbands ist, zu. Dass Lettland überhaupt wenigstens über einen Bob verfügen könne, der technisch auf dem neuesten Stand gebaut sei um in der Weltspitze mithalten zu können, sei völlig dem seit 2006 amtierenden lettischen Verbandspräsidenten und Millionär Jānis Kols zu verdanken (Eigentümer von "Latvijas Energoceltnieks"). Jānis Miņins wiederum hatte auch schon bei den Olympischen Spielen in Vancouver kurzfristig seinen Startplatz Edgars Maskalāns überlassen müssen - der dann aber "nur" den 8. und 11.Platz holte, Lettland also ohne Bob-Gold blieb (dafür holten erstmals die Rodel-Doppelsitzer Andris und Juris Šics Olympiasilber, gleiches gelang auch Martins Dukurs im Skeleton). Und nun hatte auch Miņins - der offenbar im Lager der lettischen WIntersportfans eine wesentlich größere Zahl von Unterstützern hat als seine Konkurrenten - sich kürzlich ernsthaft mit dem lettischen Verband verkracht. Der von Maskalāns ungeliebte Miņins startet nicht mehr - und erneut wurde Bob Nr.1 für Maskalāns frei. Da wird es spannend zu beobachten sein, was sein erster Weltcupsieg am Wochenende in St.Moritz nun auslösen wird.

Am 26.Januar 2011 fand in Lettland eine absichtlich öffentliche Fernsehdiskussion zu den Problemen zwischen Verband und Sportlern veranstaltet (siehe DIENA-Video). Die dortigen Äußerungen, sowohl der Diskutanten wie auch der in verschiedenen Portalen lesbaren Reaktionen der Sportfans lassen darauf schließen, dass noch viele hoffen, Miņins würde es sich noch einmal anders überlegen und zurückkehren. Miņins gab seinerseits noch vor einer Woche bekannt, er werde wohl nun das Bobteam der Slowakei beraten. "Wenn er alle Weltcups fahren würde, hätte Lettland auch wieder einen Gesamtsieger!" So ist in den Sportforen zu lesen. Andere bedauern, dass Bob Lettland 2 mit Oskars Melbārdis am Steuer als Schnellste des 1.Durchgangs wegen zu heißer Kufen disqualifiziert wurden. Tja, in Lettland ist offenbar manchmal das Leben auch nach einem Sieg schwer - wenn es viele Neider gibt.

Webseite lettischer Bobverband

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