29. Januar 2010

Mühsames Rechnen im Lettischen Institut

Die lettische Regierung verbreitet momentan eine Menge Rechnereien. Schon vor einigen Monaten wurde ja das "Lettische Institut" (Latvijas institūts), dass bisher manchmal ein eher exotisches Dasein zu führen schien, für die Verbreitung von Regierungsinformation eingespannt und entsprechend umstrukturiert. Bei der Gründung des Instituts am 29.September 1998 war man eher um das Image Lettlands im Ausland bemüht. Wer kennt Lettland überhaupt? Wie unterscheidet sich Lettland von den Nachbarländern? Möchte Lettland unter dem Stichwort "Baltikum" firmieren, oder lieber eigene Schlagzeilen machen? Auch das Knüpfen eines "Kontaktnetzes im Ausland" wurde als Ziel angesehen damals. 

Mit Beschluss des Ministerkabinetts vom 22.Oktober 2004 wurde dann die bisherige "GmbH" zu einer staatlichen Agentur umgewandelt.
Nun werden bevorzugt ausländische Journalisten mit dem versorgt, was die lettische Regierung für richtig oder imagefördernd hält. Und das bei erheblich reduzierten Bezügen: das Budget für 2009 musste eine Kürzung von 245.071 Lats auf 116.928 Lats hinnehmen. Gleichsam radikal ging man mit dem Personal um: waren es im Jahr 2008 noch 14 Angestellte, im Januar 2009 noch 12, so verzeichnete die ehemals stolze Staatsagentur ab Juni 2009 noch ganz 4 (in Worten: vier) Mitarbeiter/innen. Gleichzeitig habe man die Mietkosten um 71% senken können, heisst es auf der hauseigenen Webseite. Unglaublich? In Deutschland unvorstellbar? Ob dies nicht auch dem "lettischen Image" schadet? Protest ist nirgendwo zu lesen. Vielleicht wäre der Kommentar: "in Lettland ist das eben so" zu erwarten, oder "bei anderen Einrichtungen ist es auch nicht anders."

Die Pläne für das laufende Jahr und die nächste Zukunft lesen sich ähnlich. Materialien in Fremdsprachen neu erstellen? Völlig gestrichen (von 90 auf Null). Unterstützung für internationale Kulturereignisse: gestrichen. Arbeiten an einem "cooperative design", an der Imageverbesserung Lettland, am Ziel "Markenzeichen Lettland": eingestellt. Beratung für einheimische und ausländische Interessenten: mehr als halbiert (von 1000 auf 400 - klar, wenn auch kein Personal mehr dafür da ist...). Organisation von Veranstaltungen, die Lettland bekannt machen sollen? Ebenfalls halbiert (von 11 auf 5 pro Jahr). Kontaktnetz im Ausland? Keine Rede mehr davon (sind nicht genug Letten als Arbeitsemigranten unterwegs? Erledigt sich diese Arbeit also von selbst?).

Das Einzige, was gesteigert werden soll, ist die Zahl der Empfänger für "informative Monatsübersichten" (gegenwärtig 250), sowie die Anzahl der "für die ausländischen Medien vorzubereitenden Materialien" (80, statt vorher nur 7). Wie das dann aussieht, kann jede/r dieser Empfänger/innen jetzt schon erleben. Es sieht aus - kurz und unverblümt gesagt - wie schlichte Regierungspropaganda. 
Die Schwerpunktthemen haben sich offenbar gewandelt, das scheint klar zu sein. Nicht mehr das genaue Aussehen der verschiedenen Muster selbst gestrickter lettischer Handschuhe, oder die großartigen internationalen Erfolge lettischer Chöre stehen im Vordergrund, sondern schlichte Zahlen. Offenbar geht es jetzt darum den Eindruck zu vermeiden, Lettland sei "ein Pleiteland".
Das zu erwartende Haushaltsdefizit für 2009 würde nun auf etwa 6,8% geschätzt, schreibt nun das Lettische institut. Mit den internationalen Kreditgebern sei vereinbart worden dieses Defizit nicht auf über 10% ansteigen zu lassen. War in der EU nicht mal von 3% die Rede (Maastricht-Kriterien)? Das steht hier im folgenden Satz: 2011 soll das Defizit weiter fallen. Wer es nicht glaubt, der kann in einer zweiten Mitteilung dieser Woche dazu noch die rosigen Versprechungen des EU-Währungskommissars Alumnia, des lettischen Finanzministers Repše, und Regierungschef Dombrovskis nachlesen. Und als ob das nicht ausreichte, kommt als dritte Meldung des Lettischen Instituts auch noch eine Spezial-message des obersten Sattlers - des Präsidenten. "Als ich 2009 am Weltwirtschaftsforum in Davos teilnahm", schreibt dieser, "gab es viele Skeptiker die daran zweifelten dass Lettland eine Erholung der Wirtschaft erreichen könnte. Das Jahr 2010 wird zeigen, dass diese Skeptiker unrecht haben." Hier wird präsidial abgesegnet, dass 2014 die Maastricht-Kriterien erreicht werden sollen. Gleichzeitig werden die Reformen des Gesundheitswesens, der öffentlichen Verwaltung und des lettischen Bildungswesens als "erledigt im Jahr 2009" abgehakt. Und - ach ja - der private Inlandsverbrauch werde ansteigen, auch ohne "auf Kredite gestützten Konsum". 

Ob da die lettischen Wähler und Wählerinnen mit ihrem Präsidenten wohl einer Meinung sind?
Vom lettischen Institut erfährt der interessier- te Lettland-Freund dazu nichts. Oder die Verfasser dieser Nachrichten wirklich glauben, die geneigten "Journalisten aus dem Ausland" würde solche Meldungen eins zu eins wiedergeben, und auch keine lettischsprachigen Zeitungen lesen können (wo ein weitaus größeres Meinungsspektrum anzutreffen ist, und auch mal eine Stimme aus der parlamentarischen Opposition).
Warum gerade der Präsident, der in Lettland ja im Gegensatz zu Litauen gar keine so entscheidende Rolle in der Politik zu spielen hat, zu verkünden hat, der Export von Holz habe sich ja schließlich 2009 sogar um 50% gesteigert (klar, die vermehrte Abholzung war sogar staatlich initiiert worden!), bleibt unklar. Soll hierdurch Glaubwürdigkeit erreicht werden? Ich für meinen Teil frage dann doch zum Vergleich mal lieber meine Freunde und Bekannten in Lettland, wie es ihnen denn wirklich geht. Und wenn deren Aussagen weiterhin zu sehr von dem abweichen, was da alles so in staatlichem Auftrag und in globalem Englisch verkündet wird .... - liebes Lettisches Institut, vielen Dank für die Mühe.

Bei "Baltic Reports" war schon im Oktober 2009 nachzulesen, was dem Lettischen Institut noch drohen könnte, wenn die finanziellen Vorgaben - ganz entgegen den jetzt offiziell verbreiteten Texten - weiter so schlecht bleiben wie jetzt: die komplette Schließung.

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