17. September 2006

Ein lettischer Abend

Lassen Sie sich nicht verwirren, liebe Leserinnen und Leser. Ob nun doch Laima die Mörderin war, Vaira Vike-Freiberga schon keine Präsidentin mehr (dafür aber Sandra?), oder ob Sie heute abend doch eher die Wahlergebnisse in Berlin oder Meck-Pomm interessiert haben - es war wirklich schwer der Durchblick zu behalten.

Von der "ehemaligen lettischen Präsidentin Vaira Vike-Freiberga" schrieb der MDR auf seiner Webseite schon mit Uhrzeit des Samstags um 8:37 Uhr. Ob da jemand sich über seine Wochenendschicht geärgert hat? Klar, die konservative lettische "Jaunais Laiks" (Neue Zeit) hatte schon vor über einer Woche die ebenfalls international nicht unbekannte Sandra Kalniete ("mit Ballschuhen im sibirischen Schnee") zur Präsidentschaftskandidatin gekürt (Delfi, Tvnet, Lettisches Fernsehen LNT, Jaunais Laiks). Aber, lieber MDR, in Lettland finden die Präsidentschaftswahlen erst 2007 statt. In erster Linie muss nämlich die (tatsächlich!) ehemalige Aussenministerin ihrer Partei erstmal zu einem guten Ergebnis bei den lettischen Parlamentswahlen am 7.Oktober 2006 verhelfen. Die Nachfolgerin oder der Nachfolger von Vike-Freiberga wird nämlich nicht direkt vom Volk gewählt - die zukünftigen Parlamentarier werden einen wesentlichen Einfluss auch auf die Präsidentschaftswahlen haben.

Vielleicht hat den MDR auch irritiert, dass alle drei baltischen Staaten sich für Vike-Freiberga als Nachfolgerin von Kofi Annan auf dem Stuhl des UN-Generalsekretärs ausgesprochen hatten. Nein, nein, meint der MDR, hier muss doch die "Rotation" eingehalten werden - nur ein Mensch aus Asien kann auf den Posten kommen - doch wer traut bei so schlampigen Aussagen schon noch dem MDR?

Ja, und dann war da noch Laima. "Was bedeutet der Name?" fragt ganz wessi-männerhaft der Kommissar, trinkt schwarzen Balsam, bekommt einen lettischen Kuß und kann sich bis zwei Minuten vor Schluß des Films an kaum etwas mehr erinnern. Die ARD-Abendunterhaltung (Polizeiruf 110 - die Lettin und ihr Lover) mit Kommissar Keller (Jan-Gregor Kremp) hatte sich ganz lettisch eingestimmt, und endet am Schluß am schönen Strand von Jurmala.
Etwas Spielraum ließ der Film auch Lettisch-Kundigen - denn nicht alles wurde wörtlich übersetzt. "Scheiße, ein Drogensüchtiger, das hat mir gerade noch gefehlt", flucht die schöne Lettin angesichts des verrückten Arztes, der sich selbst Morphium spritzt.
Ob es spannend genug für die deutschen Zuschauer war, müssen andere beurteilen - für Freunde Lettlands stimmte in diesem Film ungewöhnlich viel: die Lettin (Rezija Kalnina - Lettlands Schauspielerin des Jahres 2004) war eine echte Lettin, sie sprach so Deutsch, wie Lettinnen eben Deutsch sprechen, und schon gleich in den ersten Minuten sprechen zwei Mädchen so natürlich Lettisch, wie es eben nur gesprochen werden kann. Ob das an der (Kennern gar nicht mal unbekannten) Aufnahmeleiterin Laima Freimane lag? Mal weniger schlechte Schablonen als gewöhnlich - Glückwunsch, ARD!

3 Kommentare:

Marta Salazar hat gesagt…

Hi! Off Topic: Etwas über die Kandidatur Vaira Vike-Freibergas für Generalsekretärin der UNO?

lacplesis hat gesagt…

ja okay, bitte gerne! Wer hat etwas beizutragen?

Laut Kurier (Österreich) vom 8.3.2006 hat sich Kofi Annan schon mal für eine weibliche Nachfolgerin ausgesprochen. Putin soll angeblich (oder natürlich?) dagegen sein (manche halten daher schon die Bewerbung von VVF für aussichtslos). Unter den US-Amerikanern wiederum (und nicht nur bei den Bushies) haben die Balten oft mehr Freunde und Unterstützer/innen, als unter den lippenbekennenden Deutschen. "BerlinOnline" schrieb einmal am 19.1.06: "Die USA wollen einen zahmen Osteuropäer" (damals war auch noch der Pole Kwasniewski im Gespräch).
na, ob VVK so "zahm" sein wird?

Marta Salazar hat gesagt…

aus Le Figaro:

http://www.jd-giuliani.org/dossiers/dossiers.php?id_dossier=64

Der Brief der Robert-Schumann-Stiftung findest du hier:

http://www.robert-schuman.org/lettre/lettreal270.htm

es handelt sich um eine der Nachrichten.

Hetzliche Grüße!